Donnerstag, Mai 18, 2006

Die Muttergotteserscheinungen in den Schlachten bei Kappel und auf dem Gubel - 2

DIE SCHLACHT AUF DEM GUBEL

Während das katholische Heer in den Tagen nach der Kappeler Schlacht nur aus Oberitalien und dem Wallis einigen Zuwachs erhielt, strömte ein solcher den Zürchern von allen Seiten, besonders von Bern her, zu.
Die Reformierten konnten somit, gestützt auf ihre Überzahl, ihre Heeresmacht nach Belieben teilen. So dachten sie, in erster Linie einen Nebenschlag auszuführen und kommandierten am 23. Oktober 8000 Mann gen Einsiedeln, um der dortigen Wallfahrt ein für alle Mal ein Ende zu setzen und das Vertrauen auf Mariens Fürbitte, der man katholischerseits den errungenen Sieg zuschrieb, zuschanden zu machen.
In zwei Abteilungen zu je 4000 zogen die hiefür Bestimmten den Zuger Bern hinan und lagerten, nachdem sie sich in den Häusern und Ställen die mehr als nötige Nahrung geholt, unweit der Gubelhöhe.
Die armen Bergbewohner, deren Frauen und Kinder schonungslos aus Hof und Heim vertrieben worden, erbaten sich Hilfe vom Tal. Vorläufig wurden bloß 1500 Mann hinaufgeschickt mit dem Befehl, die erregten Leute vor dem Lossschlagen zu warnen.
Da dieser Rat wenig Beifall erntete, taten sich 630 mutige Männer zusammen, wählten „Maria, Mutter Gottes" als Schlagwort, warfen weiße Hemden und Linnen über die Rüstung oder das Hirtenkleid und überfielen mitten in der Nacht das feindliche Lager. Erst fanden sie tapfern Widerstand, dann aber ergriff wiederum, wie bei Kappel, die Panik den Gegner, nur gestaltete sich hier die Flucht weit schwieriger als dort. Zu Dutzenden stürzten die der Gegend Unkundigen die Tobelwände hinunter und zerschellten. Auf dem Gubel allein lagen 830
Leichen, die an Ort und Stelle in drei Gräbern beigesetzt wurden.
Auch hier hatte Gott wunderbar geholfen. Ein heller Schein begleitete die tapfern Marienverehrer, und nicht wenige versicherten, ein Muttergottesbild, ähnlich dem von Einsiedeln, in diesem Lichtschimmer erblickt zu haben.

DER FRIEDENSSCHLUSS

Da wir diesen so beklagenswerten Krieg, der die Eidgenossenschaft in ihren Fundamenten bedrohte, nicht um seiner selbst willen, sondern nur wegen seiner Beziehungen zum Marienkult unserm Rahmen einfügen müssen, so übergehen wir die größern und kleinern Scharmützel die da und dort geliefert wurden, und wenden uns dem ersehnten Frieden zu.
Am 7. November war ein Trupp Katholiken bis nach Rüschlikon am Zürchersee vorgedrungen. Die Landschaft und die Stadt waren darob nicht wenig beunruhigt. Sie konnten sich der Überzeugung nicht länger erwehren, daß das Kriegsglück nicht auf ihrer Seite sei. Die Friedensstimmen mehrten sich und gewannen die Oberhand. Man erklärte sich bereit, den Katholiken, falls sie annehmbare Bedingungen stellen würden, die Bruderhand zu bieten.
Auch diesen war nichts erwünschter. Nur notgezwungen hatten sie ja zu den Waffen gegriffen. Am 16. November kamen die beidseitigen Abgeordneten in Deinikon bei Baar zusammen und unterhandelten unter freiem Himmel. Die Katholiken zeigten sich in ihren Forderungen äußerst mäßig und tolerant. Sie verlangten der Hauptsache nach nur, dam man jeden Bundesort bei seinem Glauben lasse, in den Untertanenländern keinen Zwang ausübe und etwelche Kriegsentschädigung entrichte.
„Da fragte", so lesen wir darüber, „Oberhauptmann Hans Ascher von Zürich, ob sie weiter nichts begehrten? Da ward vom Schultheiß Golder geantwortet: Nein. Da sprach Hans Ascher: So sei Gott gelobt, daß ich euch wieder unsre lieben Eidgenossen nennen soll. Er ging hinzu und sprach: Nun grüße euch Gott, getreue, liebe Eidgenossen, bot jedem die Hand, und je einer dem andern, und liefen ihnen allen die Augen über, und ward also dieser Frieden gemacht ohne alle Unterhandlung der Schiedsrichter durch die Parteien selbst auf offnem Feld."
Wie schön reimt sich mit diesem echt eidgenössischen Friedensschluß die Äußerung des großen Schaffhausers Johann von Müller insachen der Schweizer Binnenkriege: „Der Grundsatz unserer Eidgenossenschaft ist von einer so einleuchtenden, besiegenden Klarheit; so offenbar beruhet unser aller Ehre, Glück, Dasein auf unsrer Verbindung, unser Volk ist noch so vaterländisch bieder, daß zwar nach Familienart, Brüder auf Brüder wohl gezürnt, aber nie der großen Tage vergessen, wo wir allesamt, gemeine Eidgenossen von Städten und Ländern, für den Bund, unsern Vater, für die Freiheit, unsre Mutter, in einem Sinn sieghaft und glorwürdig
zusammen gestanden."
Am 24. November wurde auch mit Bern Frieden geschlossen, und bald darauf die Verbrüderung und Ruhe in der ganzen Schweiz wieder aufgerichtet.
Küssenbergs Chronik schließt den Kriegsbericht mit den Worten: „Und ward wieder Friede und Einigkeit im ganzen Land. Gott sei ewig Lob und Dank gesagt."


DIE ERSCHEINUNG IN DERKAPPELERSCHLACHT

Obschon die Erscheinung auf dem Gubel mehrfach bezeugt wird, gehen wir doch nicht näher darauf ein, weil sie wie die dortige Schlacht selbst unmittelbaren Bezug auf die Nationalwallfahrtstätte in Einsiedeln hat und in deren Geschichte gehört.
Kehren wir also zu derjenigen zurück, die vor und in der Kappelerschlacht gesehen worden. Cysat meldet darüber in seiner Wesemlin Historie:
„Nun merk wohl auf, es ist kein Spott. Das wirket Gott. Es traf sein'n Glauben, Ehr' und Pott (Gebot)... Drum steht er bei den Alten, die seinen Glauben b'halten... Man sah mit Trost und Gottes Lob ob der fünf Orten Bannern am Himmel hoch dort schwoben ob.
Nämlich Mariä Bild so trat, wie man es hat wohl auf Wesemlins Platz und Statt vor etlich Wochen g'sehen, das brach auch in dem Feld voran, auf Lagers Plan. Den alten Christen lag daran, zum Trost ist's ihnen b'schehen, des tut man Lob bejehen (sagen)."
Diese Erscheinung glich vermutlich der am Pfingstsonntag, welche dem Spitalmeister von Mettenwyl allein zuteil geworden. Darum sieht man ihn auf dem Schauenseer Gemälde in Waffenrüstung und von Waffen umgeben, und darum pflegte man später kurzweg zu sagen, die Mutter Gottes sei ihm vor der Kappelerschlacht auf dem Wesemlin erschienen.
Cysat deutet an, daß sich das wunderbare Bild sowohl über dem Lager gezeigt, wie auch den Streitern vorangezogen. Für beides haben wir zahlreiche Belege. Jenes beteuert uns z.B. das anno 1533 verfaßte Kappelerlied:„Als man hernach gesehen hat die fünf Ort' waren in ihrem Bet (Gebet) zu Baar wohl in dem Boden, gesah man ein weiß' Frauenbild schweben ob den fünf Bannern oben."
Daß es dem Heere voranschwebte, besingt der damalige Gerichtsschreiber Salat in seinem Schlachtlied:
„Die Bildnis der Hochgebenedeiten Maid, die bei dir wohnet, hohe Dreifaltigkeit, im Bann mit ihnen ist g'flogen."
Noch wertvoller ist die Aussage jenes Priesters, der im katholischen Lager weilte und nach den Siegen den verbündeten Rottweilern, die, 200 Mann stark, mit ihrem Fähnlein zu Walzhut lagerten, die frohe Kunde überbringen mußte. Die für uns wichtigste Stelle daraus ist diese:
„Ist nicht lang gestanden, haben sie (die fünf Ortei bei Kappel) ihr (der Zürcher) Ordnung zertrennt und untröstlich dareingeschlagen, nicht ohne Wunderzeichen, wann sie oben haben gesehen schweben, sie nicht allein, auch aus ihrem Widerpart Weib und Mann, die Bildnis der Mutter Gottes und eine weiße Taube darob.
„Also mit der Hilfe Gottes haben die fünf Orte ihre Feinde in die Flucht geschlagen."
Dieser schriftlich abgefaßte Bericht wurde unverzüglich der Stadt Rottweil zugeschickt, und diese übermittelte ihn am 31. Oktober nebst einem Begleitschreiben dem Obervogt zu Balingen, Hug Werner von Ehingen. Von da ging er noch am gleichen Tage an den württembergischen Statthalter und Regenten über, wie ein zweiter Mitbrief beweist.
Die drei Originaldokumente hat mir seinerzeit der Direktor des kgl. Württ. Geh. Haus- und Staatsarchives zum Kopieren und eventuellen Photographieren in zuvorkommender Weise zur Verfügung gestellt.
Das Antwortschreiben der Stadt Rottweil an die katholischen Eidgenossen, datiert vom Mittwoch nach Mariä Opferung, liegt im Luzerner Staatsarchiv. Es heißt unter anderm darin: „Den Allmächtigen wir emsig flehen und bitten, da er euch gegen eure Widerwärtigkeiten durch die Fürbitte seiner würdigen Mutter und aller Auserwählten zur Handhabung eures christlichen Vorhabens – wie bisher wunderbarlich beschehen – durch seine göttliche Hilfe, wie wir denn zu siner göttlichen Gnade ganzen Glauben, Zuversicht und Vertrauen haben, behilflich sein werde."
Auffälliger Weise hat Strickler in seiner Aktensammlung die Stelle „wie bisher wunderbarlich beschehen" ausgelassen. Und doch bilden gerade diese paar Worte einen Schwerpunkt des Briefes.
Eine Ergänzung zum oben zitierten Bericht über die Erscheinung der seligsten Jungfrau und der weißen Taube enthalten die Annalen des 1553 verstorbenen Augustiner Priors Kilian Leib. Es heißt darin:
„Einige Zürcher behaupteten, über dem Schwyzer Banner wiederholt eine weiße Taube schweben gesehen zu haben, und daß sie vor dem katholischen Heer eine Frauengestalt erblickt, versicherten andere feindliche Gefangene."
Daß nicht alle die Erscheinung beobachtet, und daß sie nicht von allen gleich vollkommen beobachtet worden, muß uns nicht wundern. Wir haben uns hierüber bereits anläßlich derjenigen auf dem Wesemlin ausgesprochen und wollen drum nur noch zwei Analogien aus der heiligen Schrift streifen. Als wenige Tage vor Jesu Leiden die Stimme des Vaters erscholl, daß er seinen Sohn verherrlichen werde, meinten einige, es habe bloß gedonnert. Und als Saulus vor Damaskus den Heiland sah und seine Mahnung deutlich hörte, bemerkten seine
Begleiter bloß ein wunderbares Licht und ein Geräusch.
Die weiße Taube muß auch außer der Schlacht erschienen sein. So notiert der reformierte Bonifazius Ammerbach am 29. Oktober 1531 in seinem Tagebuch:
„Item, es ist einem Rat von Basel geschrieben, soll auch von menglich (manchen) gesehen worden sein. Als die von Schwyz mit ihrem Banner ausgezogen und gekommen durch die Kirchgasse, ist eine weiße Taube auf dem Banner gesessen etc."
Und schon zehn Tage zuvor hatten die beiden Reformierten, Vinzenz von Werd und Hans Meyer an Bern geschrieben, daß bei Bremgarten die Berner und Entlibucher Wachen auf einander gestoßen, und daß letztre gesagt, „ihre Partei (die Katholiken) haben in allem Glück, denn über ihrem Volke habe man eine weiße Taube gesehen." „Dergleichen Reden (würden) jene viel gebrauchen und die Berner damit unwillig machen."
Fassen wir das Gesagte kurz zusammen. Die Erscheinung Unserer lieben Frau in der Kappeler Schlacht erinnert an die auf dem Wesemlin, und die weiße Taube, die ihr obschwebte und sich auch sonst noch zeigte, riefen die Pfingsttage zurück. Auf dem Wesemlin hat Maria, die Braut des Heiligen Geistes, den für den Glauben Kämpfenden ihren Beistand verheißen, und in der Kappeler Schlacht hat sie ihn gewährt.

DIE WEISSE TAUBE

Weiße Taube, Bild der Liebe, das der heil'ge Geist erkor,
schwebst im blut'gen Schlachtgetriebe dem geweihten Banner vor.
Kündest allen, Friedensbote, daß kein Stahl, der flammt und klirrt,
daß die Liebe nur die tote Eintracht auferwecken wird.
Wählst den Hügelfels, den starken, dir und deiner Braut zum Haus,
breitest über Stadt und Marken deiner Liebe Fittich aus.
Uns beschirmend und erlabend, du allzeit treue Wacht,
bis wir, naht der Feierabend, sprechen: Herr, es ist vollbracht.
Wie die Taube, die zur Kunde Noe ausgesandt, so zeig
uns in jener letzten Stunde den ersehnten Friedenszweig!


Erstmals erschienen in "DAS ZEICHEN MARIENS", Oktober 1992, 26. Jahrgang, Nr. 6, Seiten 8218-8222)

Keine Kommentare: